Berufen Sie bei Verlust des halben Stamm- oder Grundkapitals
eine Gesellschafter- oder Aktionärsversammlung ein.
Sorgen Sie dafür, dass Sie jederzeit den Überblick
über die finanzielle Situation des Unternehmens behalten.
Jederzeit heißt in kritischen Phasen, Liquiditätspläne
und Überschuldungsstatus, wenn geboten täglich zu
überprüfen, um zeitnah auf eine Insolvenz reagieren
zu können. Deren Eintritt erfordert die sofortige Antragstellung.
Die weit bekannte Dreiwochenfrist gilt nur für eine realistische
Abwendung der Insolvenz (siehe Sanierung
und Restrukturierung) binnen drei Wochen. Wenn dieses
nicht, oder schon absehbar nicht innerhalb drei Wochen möglich
ist, muss sofort ein Insolvenzantrag gestellt werden. Stellen
Sie bei Insolvenzreife auf jeden Fall einen Insolvenzantrag.
Ansonsten drohen erhebliche haftungsrechtliche
Folgen. Veranlassen Sie keine weiteren Zahlungen.
Vorsicht in Sachen Steuern: Für nicht abgeführte
Lohn- und Umsatzsteuern haften Sie persönlich, wenn Sie
grob fahrlässig gehandelt haben. Bei der Lohnsteuer wird
schuldhaftes Handeln unterstellt.
Sollten Sozialversicherungsbeiträge nicht bezahlt werden
können, zumindest Beiträge melden und zum
Fälligkeitszeitpunkt der Beiträge der Einzugstelle
schriftlich die
· Höhe der nicht bezahlbaren
Beiträge mitteilen und
· Darlegung, warum die fristgemäße
Zahlung nicht möglich ist, obwohl sich ernsthaft darum
bemüht wurde.
Werden die Beiträge dann innerhalb einer von der Einzugstelle
bestimmten Frist entrichtet, entfällt die Strafbarkeit
der Nichtzahlung. Anderenfalls ist das Strafmaß Geldstrafe
oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre.
Vorstände von Aktiengesellschaften aufgepasst: Sie haften
unter Umständen auch gegenüber Anlegern einer AG,
deren Anteile wegen der Insolvenz wertlos geworden sind. Besondere
Vorsicht ist bei Ad-hoc-Meldungen geboten.
Risiken und Fehlverhalten in der Krise
Wer die Insolvenzantragspflicht nicht beachtet, dem drohen haftungsrechtliche
Folgen. Diese reichen über das Insolvenzrecht hinaus
in das Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht
bis hin zum Strafrecht.
Die Unternehmensleitung muss zwar über den Eintritt der
Insolvenzreife informiert sein, um in Gefahr zu geraten. Sie
kann sich jedoch nicht darauf berufen, dass sie nicht davon
wusste, wenn sie sich nicht zu jedem Zeitpunkt um den notwendigen
Überblick über die finanzielle Situation des Unternehmens
bemüht hat. Die Haftungsfolgen ergeben sich zunächst
gegenüber dem Unternehmen selbst. Sollten trotz Eintritt
der Insolvenzreife Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen
heraus geleistet worden sein, wird der Insolvenzverwalter
im Namen des Unternehmens von den handelnden Personen entsprechenden
Ersatz verlangen.
Das gilt auch, wenn der Insolvenzverwalter ein Fehlverhalten
des Managements gegenüber dem Unternehmen in der Phase
vor Insolvenzeintritt feststellt. Dabei kann es sich zum Beispiel
um Kosten auslösende und offenkundig ungeeignete Sanierungsbemühungen
handeln. Eine Haftung gegenüber dem eigenen Unternehmen
trifft allerdings immer nur die Organe der Gesellschaft, also
Vorstände und Geschäftsführer. Der Aufsichtsrat
kommt zwar auch in Betracht, ist aber meist weniger gefährdet.
Die zunehmend strengeren Regeln zur Corporate Compliance führen zu einer noch stärkeren Verantwortung der Organe. Sonstige Mitarbeiter des Unternehmens, auch solche auf Führungsebene
etwa Prokuristen oder Generalbevollmächtigte haften nur
nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Bei leichter Fahrlässigkeit
scheidet die Haftung vollständig aus, so dass für
diese Mitarbeiter erst bei gröberem Verschulden ein Risiko
entsteht.
Noch gefährlicher ist die Haftungslage gegenüber
Dritten, seitdem der Bundesgerichthof 1994 die Insolvenzverschleppungshaftung
verschärft hat. Danach müssen Unternehmensorgane
bei verzögertem lnsolvenzantrag den Gläubigern gegenüber
persönlich für Schäden einstehen, wenn ihre
Forderungen erst nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden
sind. Diese Neugläubiger können den Wert ihrer Vorleistungen
und unter Umständen ihren gesamten Forderungsverlust
bei dem Manager geltend machen.
Zudem drohen fast immer auch Ansprüche des Fiskus und
der Sozialversicherung. Auf Grund von Sonderregeln in der
Abgabenordnung für nicht abgeführte Lohn- und Umsatzsteuern
haften Vorstände und Geschäftsführer persönlich,
wenn sie grob fahrlässig gehandelt haben. Bei der Umsatzsteuer
geht kein Weg an einer Haftung vorbei, wenn der Fiskus nicht
wenigstens, auch bei nur anteiliger Zahlung auf die gesamten
Verbindlichkeiten mit den übrigen Gläubigern gleich
behandelt worden ist. Bei der Lohnsteuer muss der Geschäftsführer
oder Vorstand die Löhne und Gehälter so kürzen,
dass die hierauf entfallende Steuer noch bezahlt werden kann.
Auch Sozialversicherungsträger sind privilegierte Gläubiger.
Soweit Unternehmensleiter die Arbeitnehmerbeiträge nicht
zu den Fälligkeitszeitpunkten abführen, sind sie
hierfür persönlich haftbar, wenn bei ihnen wenigstens
bedingter Vorsatz vorliegt. Entscheidend ist, ob zum Fälligkeitszeitpunkt
das Unternehmen noch zahlungsfähig war. Wenn der Unternehmensleiter
andere Gläubiger bevorzugt hat, muss er mit der Haftung
rechnen.
Verdichten sich die Probleme zur Krise, fehlt es an eigener
Sachkunde festzustellen, ob die wirtschaftliche Situation
des Unternehmens eine Insolvenzantragspflicht auslöst,
hat die Geschäftsführung externen Rat - unter Offenlegung
der Verhältnisse und erforderlichen Unterlagen - einzuholen.
(BGH, WM 2007, 1274, 1275, Rn. 16.) Kommt dieser Rat sodann
von einem unabhängigen, für die zur klärenden
Fragestellung fachlich qualifizierten Berater und folgt die
Geschäftsführung diesem nach eigener Plausibilitätskontrolle,
kann ihr nicht vorgeworfen werden, schuldhaft gegen Sorgfalts-/Insolvenzantragspflichten
verstoßen zu haben.
Exkurs zum neuen Überschuldungsbegriff
Am 18.10.2008 ist das Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) in Kraft getreten. Artikel 5 dieses Gesetzes enthält folgende Neufassung des § 19 Abs. 2 InsO: „Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“
Der neue Überschuldungsbegriff lehnt sich nach der bisher, überwiegend seit dessen Inkrafttreten heraus gebildeten Auffassung an die Vorstellung des alten Überschuldungsbegriffs aus der Konkursordnung (KO) an, welche bis 31.12.1998 galt. Ihm liegt die Vorstellung zu Grunde, dass zwischen rechnerischer und rechtlicher Überschuldung zu differenzieren ist. Die bilanzielle Überschuldung nach Liquidationswerten ist somit ein Warnsystem, die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft fortwährend zu beobachten und nicht bis zum Eintritt der Zahlungseinstellung weiter zu wirtschaften.
Die vorherrschende Meinung über die adäquate Vorgehensweise zur Ermittlung des alten Überschuldungsbegriffs im Sinne der Konkursordnung bildete sich erst durch den Diskussionsbeitrag von Karsten Schmidt, der die modifizierte alternative Überschuldungsprüfung entwickelte. Nach dieser Methodik, der im Jahre 1992 der BGH folgte, ist in einem ersten Schritt eine Überschuldungsbilanz unter der Annahme der Liquidation anzufertigen. Eine daraus resultierende Überschuldung, die als rechnerische Überschuldung bezeichnet wurde, kann in einem zweiten Schritt durch eine Fortbestehensprognose modifiziert werden. Wird die Lebensfähigkeit - auf Basis der Prognose - bejaht, ergibt sich infolgedessen keine Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung. Fällt die Prognose negativ aus oder wird eine solche nicht erstellt, liegt nach der herrschenden Meinung und der zuletzt dazu bestimmenden BGH-Rechtsprechung von 1992 zum alten Überschuldungsbegriff eine rechtliche Überschuldung vor. Der Tatbestand des Insolvenzgrunds Überschuldung ist dann erfüllt.
Materiell überschuldete Unternehmen sind auch nach neuem Recht nicht pauschal von der Insolvenzantragspflicht freigestellt. Vielmehr sollen die Unternehmensleiter durch die Neuregelung vor Fehlentscheidungen durch verfrühte Insolvenzanträge bewahrt werden. Entscheidend ist, ob für das Unternehmen in der Krise eine positive Fortführungsprognose aufgrund werthaltiger, inhaltlich belastbarer Finanzpläne gestellt werden kann.
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